Tierärztliche Praxis für Pferde
Region Hegau / Bodensee / Südschwarzwald
PSSM - Polysaccharide Storage Myopathy
eine Erkrankung der Skelettmuskulatur
PSSM verstehen!
Unter PSSM (Polysaccharide Storage Myopathy) versteht man eine Erkrankung der Skelettmuskulatur, die mit einer fehlerhaften Zuckerspeicherung einhergeht. Es werden zwei Formen unterschieden, PSSM 1 und PSSM 2, wobei die beiden Formen außer dem Namen und der Symptomatik eigentlich nicht viel miteinander zu tun haben.
PSSM 1
PSSM 1 ist eine angeborene, genetisch bedingte Erkrankung der Skelettmuskulatur, die vor allem stark bemuskelte Rassen, wie Quarter Horses, Paint Horses, Appaloosas und Kaltblutrassen, betrifft. Aber auch Haflinger, Freiberger und verschiedene Warmblutrassen können betroffen sein. Die Wahrscheinlichkeit an PSSM zu erkranken steigt mit dem Alter und Freizeitpferde sind häufiger betroffen als Sportpferde.
Hervorgerufen wird die Erkrankung durch eine Mutation des GYS1-Gens. Diese bewirkt eine erhöhte Sensibilität der Muskelzellen auf Insulin, so dass Zucker vermehrt und leichter in die Muskelzellen aufgenommen und dort zu Glykogen, der Speicherform für Energie im Muskel (ein Polysaccharid) umgebaut wird. Ein Pferd mit der Genmutation kann 1,5-4x mehr Glykogen in den Muskelzellen speichern, als ein „Gesundes“. Dadurch wird die Funktion der Muskelzellen gestört und, wenn der Speicher voll ist, wird das Glykogen weiter zu Stärke umgebaut, welche allerdings nicht für die Energiegewinnung genutzt werden kann. Muss die Muskelzelle nun Energie aus ihrem Speicher ziehen, entsteht plötzlich eine Energiemangelsituation und es kommt zu Symptomen.
Diese können akut oder chronisch sein. Ein akuter PSSM-Schub ist meist durch Kreuzverschlagsymptome gekennzeichnet und tritt in der Regel nach ca. 15-20 Minuten leichter Arbeit auf. Durch Bewegung verschlechtert sich die Symptomatik zunehmend. In einigen Fällen verfärbt sich der Harn durch das freiwerdende Myoglobin (Muskelfarbstoff, der bei Zerstörung von Muskelzellen frei wird) dunkelbraun, was wiederum die Nieren schädigen kann. PSSM 1 kann aber auch chronisch verlaufen. Die Symptome werden dann meist erst gar nicht mit der Krankheit in Verbindung gebracht. Betroffene Pferde fallen durch unspezifische Symptome, wie wechselnde Lahmheiten, Taktunreinheiten oder Muskelprobleme auf, sind bewegungsunlustig, triebig oder zeigen nicht mehr die Leistung, die sie bisher gezeigt haben. Mit der Zeit baut das Pferd vor allem Rücken- und Kruppenmuskulatur mehr und mehr ab.
Die Erkrankung ist nicht heilbar und fortschreitend. Allerdings erkranken nicht alle Pferde mit der Genmutation an PSSM1, wenn Haltung, Fütterung und Bewegung sich im Gleichgewicht befinden. Auch an PSSM erkrankte Pferde können durch ein konsequentes Haltungs-, Fütterungs- und Bewegungsmanagement oft ein langes und „normales“ Leben führen und als Reitpferd genutzt werden, ohne dass sie Symptome zeigen.
Die Muskelwerte, welche im Blut bestimmt werden können (CK, AST, LDH), sind während eines akuten Schubes stark erhöht, was einen Hinweis auf das Vorliegen der Genmutation gibt. Bestätigen kann man diese Verdachtsdiagnose mit Hilfe eines Gentests. Hierfür sendet man Blut oder eine Haarprobe aus Mähnen- oder Schweifhaaren mit Wurzeln in ein dafür spezialisiertes Labor ein.
PSSM 2
An PSSM 2 erkrankte Pferde zeigen ganz ähnliche Symptome, wie die an PSSM 1 erkrankten Tiere, weshalb man sie einst unter einer Krankheit zusammenfasste. Tatsächlich sind die Ursachen für PSSM 2 noch nicht eindeutig geklärt, aber die für PSSM 1 verantwortliche Genmutation ist nicht Ursache der Erkrankung an PSSM 2. Anders als bei PSSM 1 scheint es sich bei PSSM 2 um Defekte in der Muskelstruktur zu handeln, welche zu einer myofibrillären Myopathie führen. Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass auch diese Defekte mit Genmutationen zusammenhängen. Bisher wurden 4 Varianten für PSSM 2 entdeckt. Anders als bei PSSM 1 können alle Pferderassen von PSSM 2 betroffen sein.
Auch PSSM 2 ist eine fortschreitende, nicht heilbare Erkrankung der Skelettmuskulatur. Durch die vorliegenden Genmutationen kommt es zu einem fehlerhaften Aufbau von Strukturproteinen in den Muskelzellen, weshalb die Muskelzellen nicht „normal“ arbeiten können und kontinuierlich schwächer werden. Diesen Fehler versucht der Körper des Pferdes durch eine ständige Zufuhr von Proteinen auszugleichen. Pferde, welche Träger für PSSM 2 sind, benötigen also mehr Eiweiß als ein „gesundes“ Pferd. In Situationen, in denen mehr Proteine verbraucht werden als gewöhnlich, z.B. bei Stress, Krankheit oder in Phasen starker Leistungserbringung, entsteht eine Mangelsituation und es kann zu PSSM 2-Schüben kommen.
Erste Symptome zeigen betroffene Pferde meist zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr. Zunächst fallen sie mit zunehmender Lust- und Kraftlosigkeit auf. Das Pferd wirkt verspannt und steif und ist zunehmend unkooperativ. Auch wechselnde Lahmheiten und Ataxien können auftreten. Akute Kreuzverschlagsymptome, wie bei PSSM 1, treten selten auf. Mit fortschreitender Erkrankung baut das Pferd zunehmend Muskeln der Hinterhand- und Schulterpartie sowie dem Rücken ab. Oft fallen „Dellen“ in der Muskulatur auf.
Die Muskelwerte im Blut sind bei an PSSM 2 erkrankten Pferden meist im Normalbereich. Es gibt inzwischen einen Gentest, welcher allerdings noch nicht validiert ist, weshalb eine Muskelbiopsie bei Auftreten von Symptomen nach wie vor die sicherste Methode ist, PSSM 2 zu diagnostizieren und von anderen Muskelerkrankungen abzugrenzen.
Auch bei PSSM 2 erkranken nicht alle Träger der Genmutationen.
Durch eine bedarfsangepasste Fütterung und ein angepasstes Bewegungsregime ist auch die Prognose der an PSSM 2 erkrankten Pferden gut, so dass ein „normales“ Leben und eine Nutzung als Reitpferd möglich sind.